Heilige Familie

Reichelsdorf

Im Mittelalter gehörte Reichelsdorf zur Pfarrei Katzwang. Während der Reformationszeit ging Reichelsdorf zur neuen Lehre über, sodass es kaum mehr katholische Gläubige gab. Vereinzelt lebende Katholiken, im Laufe Jahrhunderte zugezogen, wurden zunächst von Abenberg seelsorglich begleitet. Später, im Jahre 1910 entstand die Expositur Eibach, die im April 1921, nach der Trennung von der Schwabacher Mutterkirche und ein Jahr vor der Eingemeindung nach Nürnberg zu selbstständigen Pfarrei erhoben wurde. Katholische Gläubige aus Reichelsdorf, Mühlhof und den umliegenden Orten gehörten zu dieser neuen Kirchengemeinde.

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Die Grundsteinlegung für die erste, kleine Reichelsdorfer Kirche erfolgte am 29. September 1929 und ein Jahr später, fast auf den Tag genau, nämlich am 28. September 1930 wurde das Gotteshaus als St. Josefs-Kirche geweiht. Die dringend notwendige Errichtung eines Pfarr-Hauses wurde erst im Jahre 1934 verwirklicht.

In der Nachkriegszeit verzeichnete die katholische Gemeinde Reichelsdorf durch Zuzug, auch einer großen Anzahl an Heimatvertriebenen, einen starken Zuwachs an Mitgliedern. Dem Expositurbezirk wurde 1948 die Gemeinde Wolkersdorf einschließlich Dietersdorf und Holzheim eingegliedert. Schließlich wurde im Oktober 1949 die bisherige Expositur von Eibach losgelöst und zur selbstständigen Pfarrei erhoben. In die Zeit der 1950-er und der 60-er Jahre kamen Errichtung und Ausbau des Schwesternhauses am Straßenäckerweg mit einem Kindergarten, einer ambulanten Krankenstation u.v.m dazu. In diese Zeit fielen auch Verbesserungen und Ergänzungen in der Einrichtung der Pfarrkirche sowie der Bau der beiden Filialkirchen in Dietersdorf (1954) und Wolkersdorf (1968). Dazu an anderer Stelle mehr.

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Wir haben mit unserer heutigen Pfarrkirche am Eichstätter Platz ein beachtlich großes Gotteshaus für einen Nürnberger Vorort. Nur unser Kirchturm erscheint in den Verhältnisgrößen nicht so wirklich zu passen. Dies ist dadurch zu erklären, dass bei den geplanten, in den Jahren 1967/68 durchgeführten Veränderungen des Kirchenschiffes die vorgesehene Aufstockung des Turmes unterblieben ist. Trotz alledem rufen seine vier Glocken laut und deutlich zu Gebet und Gottesdiensten. Die feierliche Weihe der erweiterten Kirche wurde im März 1968 vorgenommen. Da in der Innenstadt von Nürnberg bereits eine ältere Pfarrei mit dem Namen St. Josef bestand, entschloss man sich, der vergrößerten Reichelsdorfer Kirche nunmehr den Namen „Heilige Familie“ zu geben. So wurde aus der ehemaligen Sankt Josefs-Kirche mit einem Federstrich unsere heutige Kirche Heilige Familie.

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Der große Kirchenraum beeindruckt durch seine Weite und Helligkeit. Auf der Nordseite sind die Fenster bis zum Boden heruntergehend, der Anbau der Werktagskirche sorgt durch die in Glas ausgeführten Seitenfenster im Süden für besonders viel Sonnenlicht. Vorne steht die Tabernakelsäule (1980), eine Steinskulptur von Gerhard Maisch, die den Lebensbaum darstellt. Frucht dieses Baumes ist das eucharistische Brot, das ewiges Leben schenkt.  Hauptschiff und Altarraum wirken weitläufig durch ihre Höhe und Weite.

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werktagskirche

Der Altar als Zentrum der Eucharistie steht in räumlicher Nähe zur Gemeinde. Im freien Raum in der Apsis hinter dem Altar befindet sich eine Holzplastik von K. Potzler aus dem Jahre 1957 mit dem Thema Wiederkunft Christi.

Die Stirnwand der rechten Seite des Hauptschiffes schmückt eine Madonna mit Kind, die der Spätgotik nachempfunden ist. Ein wuchtiges Kreuz aus dem späten 17. Jahrhundert, wohl aus Österreich stammend, beherrscht die südliche Kirchwand.

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Die Westseite des Kirchenraumes wird beherrscht von der breit angelegten Empore, welche die Orgel (1939 und 1968) mit breitem Prospekt beherbergt. Ein farbiger Wandteppich (1980) über der Emporenbrüstung zeigt die Heilige Familie, deren Namen Pfarrei und Kirche tragen.

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Im Jahre 1996, nach vielen vergeblichen Versuchen, die etwas beengten räumlichen Begebenheiten in den Räumen hinter und unterhalb der Kirche zu ändern, gab es eine positive Entscheidung der Diözese. Es wurde endlich der Bau des neuen Pfarrzentrums genehmigt und finanzielle Unterstützung versprochen. Am 4. Oktober 1998 wurden der große Pfarrsaal und die angrenzenden Räume durch Bischof Dr. Walter Mixa, nach relativ kurzer Planungs- und Bauphase von nur 14 Monaten, feierlich eingeweiht und gesegnet. Im Rahmen eines großen Festes konnte sich die gesamte Pfarrgemeinde ein Bild von den neuen Räumlichkeiten machen und ein erstes Mal dort gemeinsam feiern.

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Einen weiteren Glanzpunkt erhielt im Jahr 2000 die imposante Westseite unserer Kirche. Ein Relief aus drei Teilen über dem Portal führte Prof. E. Wachter mit einer kunstvollen Interpretation das biblische Thema „Vom Lamm und den vier Wesen“ aus. Zuerst ungewohnt, findet es sich in den Anblick des Westportals hervorragend ein und zieht so manchen interessierten Blick auf sich. Gespendet wurde es aus den Reihen der Kirchengemeinde zu einem runden Geburtstag des damaligen Pfarrers Georg Schmid.

 

Im Februar 2011 bekam unsere Pfarrkirche wieder einen Kreuzweg. Die Stationen fügen sich optisch Problemlos in das Gesamtbild des Innenraumes ein. Finanziert wurde der Kreuzweg über eine Spendenaktion in unserer Pfarrgemeinde.

 

Von Oster 2017 bis Anfang 2018 wurde das komplette Dach der Kirche erneuert und verstärkt.

 

Mögen das Gotteshaus und seine Besucher allzeit unter dem Schutz und Segen der Hl. Familie stehen!

Predigt Pfr. Edmund Wolfsteiner am 29./30. 12. 2018 in Reichelsdorf
und Dietersdorf zum Fest der Heiligen Familie – Evangelium: Lk 2, 41 - 52

Meine lieben Mitchristen!
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

„Hl. Familie 190,- €“, „Hl. Familie 250,- €“:  So habe ich kurz vor Weihnachten in einem Schaufenster gelesen bei einem Einkaufsbummel in der Innenstadt. Gemeint waren die Krippenfiguren Maria, Josef und das Jesuskind, die damals noch im Schaufenster ausgestellt waren, heute vielleicht in dieser oder jener Wohnung stehen.

Ja, wir feiern heute das Fest der Hl. Familie, auch das Patrozinium unserer Pfarrkirche und unserer Pfarrgemeinde.

1920 wurde dieses Fest Hl. Familie eingeführt als Reaktion auf die gesellschaftlichen
Erschütterungen des 1. Weltkriegs. Seitdem hat sich viel verändert, was unsere Familien, unsere Familiensituationen heute betrifft.

Aber noch immer ist die Sehnsucht groß, so sagen junge Leute bei einer Umfrage, die Sehnsucht nicht gerade nach einer heiligen, aber sehr wohl nach einer heilen Familie. Wörtlich von Jugendlichen: „Wenn alle Stricke reißen, wenn ich Fehler gemacht habe, wenn sich die Welt gegen mich verschworen hat, dann fängt meine Familie mich auf.“ Das wünschen sich viele.

Und die Realität ist: Jeder von uns kommt aus einer Familie, keiner hat sie sich ausgesucht
und keiner kann sie auch je ganz abschütteln: die Familie, ja seine Familie! In Familien geht
es oft turbulent und spannungsreich zu. Immer ist etwas los, in Familien pulsiert das Leben.
Und Familie ist bis heute attraktiv und lebensstark. In einer Familie gelingt es am besten,
dass jemand bedingungslos angenommen und aufgenommen ist und sich geborgen fühlen
darf und kann.

Familie, liebe Schwestern und Brüder, ist in gewisser Weise noch ein Idealbild, noch ein Sehnsuchtsort, aber mit einer großen Portion an Realität. Von Familie wird heute nicht
mehr blauäugig gesprochen, sondern realistisch: mit allen Höhen und Tiefen, auch mit
den Schattenseiten. Aber Familie ist bei allen anderen möglichen Gesellschaftsformen
des Zusammenlebens noch so stark, dass sie nicht einfach ad acta gelegt wird.

Die Bibel, liebe Mitchristen, sagt nicht allzu viel zur Familie. Aber im heutigen Evangelium
wird uns die sog. hl. Familie vor Augen gestellt, allerdings in einer Krisensituation, wenn man
so will. Es ist vom 12-jährigen Jesus die Rede, der bei einer Wallfahrt nach Jerusalem ausgebüxt ist, einfach zurückgeblieben ist ohne Bescheid zu geben und mit den Lehrern im Tempel diskutiert hat. Jesus hat sich von der Familie und von der Verwandtschaft losgesagt, abgeseilt, und ist seinen eigenen Weg gegangen. Von der Familie wurde das nicht verstanden, so dass
wir schon hier sehen: Auch in der sogenannten hl. Familie ging nicht einfach alles glatt; sie,
die hl. Familie, kann keine lupenreine Erfolgsstory vorweisen, sondern im heutigen Evangelium zeigt sich recht deutlich auch ein Leben voller Spannungen und ungeklärter Fragen. Jesus hat en Eltern nicht nur Freude gemacht, sondern auch Sorgen und Ärger und er hat Unverständnis hervorgerufen schon als Jugendlicher.

Schauen wir deshalb kurz auf die Entwicklungspsychologie: Mit 12 Jahren ist Jesus kein Kind mehr, aber auch noch kein richtiger Jugendlicher. In der Entwicklungspsychologie spricht man von der Vor-Pubertät. Im Chaos der Gefühle zwischen elterlicher Nestwärme und dem Willen nach Eigenständigkeit versuchen Kinder ihre ersten eigenen Schritte. Kuscheltiere und Puppen auf Postern werden von der Wand abgenommen. Ohne ersichtlichen Grund knallen Türen zu oder bricht ein Streit vom Zaun. Eben sind die Mädchen und Buben noch gut drauf und im nächsten Moment reagieren sie mit Desinteresse, Wut oder ungebremster Energie. Kinder müssen erst noch lernen, ihre Gefühle zu kanalisieren. Aber dieser Prozess der Selbstfindung
ist enorm wichtig, nur so finden sie ihren Platz im Leben.

Jesus, liebe Schwestern und Brüder, können wir sagen, hat im Tempel eine Kraft, eine Energie gespürt, die seiner Sehnsucht eine Richtung gegeben hat: „Ich bin in dem, was meinem Vater gehört.“ Unser Evangelist schildert es uns so, dass Jesus schon als 12-Jähriger sich als Sohn des Vaters versteht. Jesus ist mit Gott dem Vater verbunden, er nennt Gott seinen Vater und setzt damit Maria und Josef an die zweite Stelle.

Ja, Jesus hatte ein enges, ein sehr vertrautes, ja ein exklusives Verhältnis zu Gott seinem Vater:
Da, wo ist jetzt bin (im Tempel), da gehöre ich hin, sagt er seinen Eltern, als sie ihm Vorwürfe machen. Das, was ich jetzt tue, ist genau Meins, sagt Jesus damit sinngemäß.

Jesus war also im Tempel im Gespräch mit Gott in seinem Element. Er macht sein Ding,
zieht sein Ding durch. Und es stört ihn überhaupt nicht, dass Maria und Josef sich Sorgen
um ihn machen. Mit diesem Verhalten zeigt er sich als normaler Heranwachsender.

War Jesus ein anstrengendes Kind, ein anstrengender Junge? Kann sein! Vielleicht hat er ja auch schon zuhause seinen Eltern immer wieder Fragen gestellt, wo die Eltern überfordert waren, Fragen, die er jetzt den Lehrern im Tempel stellt.

Auf jeden Fall zeigt die Diskussion im Tempel, aber auch seine Reaktion auf den Vorwurf seiner Eltern, dass er nicht auf den Mund gefallen ist: Der 12-Jährige setzt einfach andere Prioritäten. Maria und Josef mussten das erst lernen. Maria, so heißt es ja, bewahrte alles in ihrem Herzen.

Lange Zeit, liebe Schwestern und Brüder, ist die sogenannte hl. Familie hochstilisiert worden,
so dass sie auf einem unerreichbaren Sockel stand. Heute sieht man das realistischer: auch
sie stand mitten im Leben, nicht abgehoben, sondern das tägliche Leben, wo Jesus leben und glauben lernte, war das Normale in der hl. Familie. Sie weist keine perfekte, keine romantische Familienidylle auf, sondern sie kennt auch Brüche, sie kennt Schwierigkeiten und Probleme.
Es war kein einfaches behütetes Leben in der hl. Familie, sondern es gab immer auch Konflikte. Maria und Josef mussten lernen, dass ihr Sohn nicht einfach eine Kopie, nicht einfach ein Abziehbild von ihnen beiden war, sondern dass er seinen eigenen Weg gehen musste. Maria und Josef mussten das Loslassen, das Freigeben lernen wie Eltern auch heute nicht einfach
in einem übertriebenen Sinn „Helikopter-Eltern“ sein dürfen!

Den Eltern muss vielleicht manchmal gesagt werden: Lasst den Kinder ihre eigene Begabung finden, steuert sie nicht zu sehr nur aufgrund eurer Vorstellungen.

Und den Kindern und Jugendlichen muss bisweilen gesagt werden: Geht nicht mit dem Kopf durch die Wand, setzt nicht auf Biegen und Brechen nur euren Willen durch, sondern lasst euch auf Kompromisse ein. Eure Eltern kennen euch sehr gut und wollen normalerweise das Beste für euch!

Ein Familienleben, liebe Mitchristen, ist vielleicht dann stimmig, wenn es so etwas wie ein heilsames Gleichgewicht gibt, die rechte Balance: wo Kinder ihren Weg mit den Eltern gehen können, wo Kinder wissen dürfen: Eltern begleiten den Weg der Kinder in Liebe und Verantwortung. Und der Weg der Kinder kann und darf ein anderer sein, ein eigenständiger, nicht unbedingt der, den Eltern sich ausmalen oder erträumen: das mussten auch Maria und Josef lernen, nach und nach lernen, angefangen schon beim 12-Jährigen, aber dann auch
weit darüber hinaus.

Ich denke, es trifft auf die sogenannte hl. Familie zu, was Papst Franziskus ganz allgemein
über Familien sagte: Familie ist kein Fertigprodukt, sagte er, sondern sie muss wachsen.
Im Familienleben gibt es keinen Stillstand. Jede Phase ist eine Möglichkeit zu reifen, mehr
zu werden. Und: Familie ist nicht der Himmel auf Erden.

Der Papst, liebe Schwestern und Brüder, sieht also Familie, Familienleben sehr realistisch.

Und das, denke ich, gibt auch uns Mut, bei Entwicklungskrisen nicht zu verzweifeln. Das gibt uns Mut, dass auch wir nicht alle Ideale erfüllen können und müssen. Familien sind aber auf jeden Fall Orte von Menschen mit Haut und Haaren, Herzblut und Leidenschaft, mit Ecken
und Kanten, Enttäuschungen und Träumen. Familien sind keine Idylle, aber auf jeden Fall heilige Orte, „Hauskirche“ sagt das 2. Vatikanische Konzil.

Heilige Orte, wie es unsere heutige zweite Lesung aus dem Kolosserbrief ausdrückt: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen.“ Ja, heilig sind wir, auch unsere Familien sind heilig, nicht weil sie perfekt sind, sondern weil sie von Gott geliebt sind!

Und das Heilige an der sogenannten hl. Familie war und ist ihre Offenheit, Gott hereinzulassen in ihr Familienleben, wie Maria und Josef es immer wieder getan haben: IHM, dem Größeren
zu trauen, sich IHM anzuvertrauen, sich bewusst als Kind Gottes zu sehen und so mit Gott
den Weg zu gehen durch dick und dünn. Das Heilige an der Hl. Familie ist ihre lebendige Gottesbeziehung, ihr gelebter Glaube, ist Abgeben und Abgeben können an den Größeren,
an den Vater, der auch uns an der Hand nimmt und uns auch als Familie führt.

In diesem Punkt dürfen wir uns ein Beispiel, ein Vorbild nehmen an der sog. Hl. Familie
von Nazareth.

Ich schließe heute am Patrozinium mit dem Gebet zur Hl. Familie, mit dem Papst Franziskus seine Enzyklika „Amoris Laetitia“ (Die Freude über die Liebe) abgeschlossen hat:

 

Jesus, Maria und Josef,
in euch betrachten wir
den Glanz der wahren Liebe,
an euch wenden wir uns voll Vertrauen.

Heilige Familie von Nazareth,
mache auch unsere Familien
zu Orten innigen Miteinanders
und zu Gemeinschaften des Gebets,
zu echten Schulen des Evangeliums
und zu kleinen Hauskirchen.

Heilige Familie von Nazareth,
nie mehr gebe es in unseren Familien
Gewalt, Halsstarrigkeit und Spaltung;
wer Verletzung erfahren oder Anstoß nehmen musste,
finde bald Trost und Heilung.

Heilige Familie von Nazareth,
lass allen bewusst werden,
wie heilig und unantastbar die Familie ist
und welche Schönheit sie besitzt im Plan Gottes.

Jesus, Maria und Josef,
hört und erhört unser Flehen.

Amen.